Expertinnen-Interview zu den neuen Förderbedingungen der Aktion Mensch


Die Soziallotterie Aktion Mensch war mit einer Fördersumme von über 180 Mio. Euro im Jahr 2017 die mit Abstand größte Soziallotterie in Deutschland. Seit über 50 Jahre werden kleine und große Aktivitäten vor allem für Menschen mit Behinderung gefördert. Der Zuschussgeber ist in den letzten Jahren aber zunehmend in die Kritik geraten. Häufig hieß es von Organisationen der Wohlfahrtsverbände, dass das Antragsverfahren zu aufwendig ist und die finanziellen und organisatorischen Förderbedingungen zu unflexibel. Das führte in den letzten Jahren dazu, dass nicht genügend passende Förderanträge gestellt und damit das mögliche Fördervolumen der Aktion Mensch nicht ausgeschöpft wurde.

Zum 1. Januar 2019 haben sich die Förderbedingungen der Aktion Mensch nun geändert. Was das für die Antragsteller aus der Sozialwirtschaft bedeutet und welche neuen Fördermöglichkeiten es nun gibt, habe ich mit einer der erfahrensten Expertinnen für das Thema in einem Interview diskutiert. Frau Angela Weiß ist die zentrale Ansprechpartnerin bei der Diakonie Bayern für die Antragstellung der Mitgliedsorganisationen bei den Soziallotterien.


Förderlotse T. Schmotz: Liebe Frau Weiß, wir kennen uns ja schon seit vielen Jahren und mein erster Kontakt zu Ihnen war noch zur der Zeit, als ich für die Diakonie Neuendettelsau tätig war. Wie lange arbeiten Sie mit der Aktion Mensch schon zusammen und können Sie sich noch an Ihren ersten Antrag erinnern?

Angela Weiß: Ende 1999 habe ich auf die Stelle als Referentin Förderwesen beim Diakonischen Werk Bayern gewechselt. Gleich im neuen Jahr wurde ein Antrag auf Zinszuschuss an die Aktion Mensch gestellt. Gott sei Dank von einem großen Träger, der damals mit Sicherheit mehr von der Materie verstand als ich.


Förderlotse T. Schmotz: Die Mitglieder der großen Wohlfahrtsverbände, wie z.B. Caritas, DRK, AWO, Paritätischer oder der Diakonie werden bei der Antragstellung bei der Aktion Mensch durch einen Ansprechpartner ihres Verbandes betreut. Sie sind bei der Diakonie Bayern für die Anträge Ihrer Mitglieder verantwortlich. Welche Beratungsleistungen bekommen die Mitglieder von Ihnen? Was erwarten Sie von Ihren „Kunden“?

Angela Weiß: Ich berate und begleite Anträge bis zur Bewilligung, also von der Projektidee bis zur Umsetzung. Jeder Rechtsträger ist anders, ebenso die Menschen, die dahinterstehen und mit Ideen oder schon festen Antragswünschen zu mir kommen.

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Ich versuche im Rahmen der Richtlinien der Aktion Mensch eine möglichst optimale Förderung gemeinsam mit dem Antragsteller zu planen und umzusetzen. Ich motiviere die Menschen, Anträge zu stellen und nicht gleich die Flinte ins Korn zu werfen, wenn es ein bisschen schwierig wird oder nicht alles glatt läuft.

Mir macht meine Arbeit Spaß und das versuche ich den Mitgliedern zu vermitteln. Auch Anträge stellen kann Freude bereiten. Kreativität und Engagement sind gefragt und erleichtern die Arbeit auf jeder Seite.


Förderlotse T. Schmotz: Was sind die häufigsten Fehler von Antragstellern, die das erste Mal bei der Aktion Mensch einen Antrag einreichen wollen?

Angela Weiß: Der korrekte Name des Rechtsträgers und damit Antragstellers  wird sehr oft im Alltag nicht verwendet. Bei der Antragstellung ist es aber unabdingbar, den korrekten Namen zu verwenden (er steht im Registerauszug J), auch wenn er einem nicht geläufig ist.

Angela Weiß, Referentin Fördermittel bei der Diakonie Bayern

Bei großen Trägern stellen manchmal viele Mitarbeitende verschiedenste Anträge. Jeder benutzt einen anderen Namen. Das sorgt bisweilen für ein großes Durcheinander. Die Aktion Mensch ist seit einiger Zeit dabei, sogenannte Dubletten zu bereinigen. 

Hier geht es zum Schnell-Check der Aktion Mensch, mit der Sie die förderfähigkeit Ihrer Organisation überprüfen können.


Förderlotse T. Schmotz: Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Änderungen der neuen Förderbedingungen der Aktion Mensch?

Angela Weiß: Der Einstieg in die Förderung wird ab jetzt über fünf Lebensbereiche organisiert:

Das ist erst einmal eine große Umstellung. Bisher hatten wir eine Einteilung vor allem nach den Zielgruppen (Menschen mit Behinderung, Kinder- und Jugendliche, Menschen mit besonderer sozialen Benachteiligung) Ein Förderfinder hilft zum Glück das richtige Programm und den richtigen Antrag zu finden.

Jeder Lebensbereich hat verschiedene Förderprogramme und damit viele Fördermöglichkeiten: zum Beispiel Inklusionsbetriebe, Bildungsprojekte, die Förderung von barrierefreien Webseiten und Digitalsangeboten oder baulichen Maßnahmen, inklusive Sport– und Kulturangebote oder barrierefreie Wohnangebote und vieles mehr.

Die zweite große Änderung ist die Tatsache, dass bei der Antragsstellung über 400 Fragen gestrichen wurden. Das bedeutet, die Antragsteller müssen bei den Projektbeschreibungen weniger Fragen beantworten. Dadurch möchte die Aktion Mensch den Einstieg in die Förderung erleichtern und noch mehr soziale Projekte für Menschen mit und ohne Behinderung ermöglichen.

Auch für uns Beraterinnen und Berater ist vieles neu. Ich sehe es sportlich. Neue Wege verlangen neue Routinen. Inhalte werden überdacht und Abläufe neu strukturiert.



Förderlotse T. Schmotz: Welche Änderungen gibt es in Bezug auf die finanziellen Rahmenbedingungen? Gerade für kleinere Organisationen war der Eigenanteil von 70% eine erhebliche Hürde.

Angela Weiss: Ab sofort profitieren die Antragsteller von höheren Fördersummen. Maximal kann der Zuschuss nun eine Summe von 300.000 Euro erreichen.

Gleichzeitig müssen sie weniger Eigenmittel mitbringen als bisher. Bei Projekten gibt es jetzt einen Zuschuss von bis zu 90 Prozent. Der Eigenanteil sinkt auf zehn Prozent. Eine Förderung wird noch attraktiver und eröffnet auch kleineren, nicht so finanzstarken Antragstellern ganz neue Möglichkeiten. 


Förderlotse Torsten Schmotz: Welche Änderungen gibt es in Bezug auf die geförderten Themen und Zielgruppen? Gibt es neue Fördermöglichkeiten für Vorhaben, die bisher noch nicht gefördert wurden?

Angela Weiss: Die Zielgruppen sind unverändert geblieben:

  • Menschen mit Behinderung
  • Kinder- und Jugendliche und junge Erwachsene bis 27 Jahre
  • Menschen in sozialen Schwierigkeiten (Wohnungslosigkeit, gewaltgeprägtes Umfeld, Entlassung aus geschlossenen Einrichtungen)

Neue Förderprogramme haben die Entwicklung neuer Wohnformen und Wege zum selbstbestimmten Wohnen im Fokus. Generell werden bei Bauinvestitionen Wohneinheiten nur noch bis 16 Plätze gefördert. Die Aktion Mensch verfolgt hier konsequent Ihr Ziel, überschaubare und dezentrale Einrichtungen zu unterstützen.

Der Auf- und Ausbau von Netzwerken ist nun in allen Handlungsfeldern als Förderthema möglich und lässt mein Herz höherschlagen. Da gehen mir so einige Ideen durch den Kopf. Beispielsweie quartiersbezogene Netzwerkarbeit mit Akteuren aus den verschiedenen Lebensbereichen. Mit insgesamt über 50 Fördermöglichkeiten findet sich hoffentlich für die meisten Interessierten die passende Förderung.


Förderlotse T. Schmotz: Bei den Organisationen besteht ein großer Bedarf in der Personal- und Organisationsentwicklung. Schlagworte sind dabei Digitalisierung in bestehenden Diensten, Personalmarketing und Personalgewinnung, Qualifizierung von hauptamtlichen Kräften, Professionalisierung von Organisationen z. B. durch den Aufbau des Fundraisings? Gibt es dafür Fördermöglichkeiten durch die Aktion Mensch?

Angela Weiß: Das werde ich oft gefragt. Themen, die viele Träger der Wohlfahrt umtreiben. Themen, die nicht erst seit gestern im Orbit der Sozialwirtschaft kreisen. Themen, die konsequent angegangen werden müssten, die mancher Träger allerdings schon lange vor sich herschiebt. Nein, es gibt durch die Aktion Mensch oder auch nicht durch die anderen Soziallotterien (Deutsche Fernsehlotterie und Glücksspirale) keine Förderung für solche internen Aufgaben. Hier handelt es sich um Trägeraufgaben. Es ist Aufgabe der Betreiber von sozialen Einrichtungen, sich auf dem allgemeinen Sozialmarkt so aufzustellen, dass ihre Unternehmen modernen Standards genügen und wirtschaftlich geführt werden können.  


Förderlotse T. Schmotz: Welche Änderungen gibt es in Bezug auf die Antragstellung? Ab wann gelten die neuen Förderbedingungen? Hat die Umstellung der Antragssoftware problemlos geklappt? In der Vergangenheit gab es ja da immer wieder Probleme.

Angela Weiß: So wie es aussieht, hat die Aktion Mensch aus ihren Umstellungsproblemen vom letzten Mal gelernt. Die Änderung zum 01.01.2019 hat geklappt. Die Aktion Mensch bietet viel mehr Informationen und Schulungen in der neuen Systematik an. In vielen Landesverbänden werden Infotage und Workshops angeboten. Unterschiedliche Wohlfahrtsverbände schließen sich zusammen.


Förderlotse T. Schmotz: Gerade kleine Organisationen schrecken häufig vor dem Aufwand der Antragstellung zurück. Lohnt es sich auch für kleine Initiativen und ehrenamtliche Vereine einen Antrag bei der Aktion Mensch zu stellen?

Angela Weiß: Auf jeden Fall. So zur „Einstimmung“ empfehle ich, die Mikroförderung auszuprobieren. Sie lernen das Antragssystem DIAS der Aktion Mensch kennen, machen sich vertraut mit dem Einstellen der Rechtsformunterlagen (Satzung, Registerauszug, Körperschaftsfreistellung) und lernen ihre Projektidee engagiert zu beschreiben. Honorare und Sachkosten werden gefördert. Die Förderquote kann dabei bis zu 100 % betragen! Und das bei einer Förderhöchstsumme von 5.000 €.


Unsere aktuellen Weiterbildungen:


Förderlotse T. Schmotz: Viele Organisationen beschweren sich über den sehr hohen Aufwand bei der Abrechnung für die Aktion Mensch Halten Sie das für gerechtfertigt?

Angela Weiß: Viele Antragsteller meinen mit der Antragstellung und der Bewilligung sind die Fördergelder sicher, lehnen sich entspannt zurück und kümmern sich nur noch um die Umsetzung des bewilligten Projektes. Ein Fehler! Erst mit der abschließenden Prüfung des Verwendungsnachweises und der Auszahlung der noch ausstehenden Restmittel ist man auf der sicheren Seite.

Eine „sorglose“ Abwicklung und „unsortierte“ Buchhaltung eines geförderten Projektes führt mit der Erstellung des Verwendungsnachweises oft zu einem bösen Erwachen, wenn das Projekt nicht gemäß Antrag durchgeführt und die Belege nicht akribisch gesammelt und abgerechnet wurden. Erst wenn alle entstandenen Kosten auch korrekt und gemäß Beantragung abgerechnet wurden, ist die bewilligte Fördersumme sicher. Das vergessen viele und das führt dann sehr schnell zu einer Unzufriedenheit hinsichtlich der „komplizierten“ Abrechnung.

Förderlotse T. Schmotz: Was würden Sie sich in Zukunft von ihren Antragstellern wünschen?

Angela Weiß: Gute Ideen, Kreativität, Motivation, Engagement und Spaß an der Förderung


Förderlotse T. Schmotz: Was würden Sie sich in Zukunft von der Aktion Mensch als Förderinstitution wünschen?

Angela Weiß: Weiter so! Gute Ideen, Kreativität, Motivation, Engagement und Spaß an Förderung bringen Antragsteller und Fördermittelgeber zusammen und gemeinsam werden wunderbare Projekte zum Wohle der Zielgruppen umgesetzt.

Förderlotse T. Schmotz: Das Gespräch mit Ihnen war wieder einmal sehr erhellend. Vielen Dank für Ihre offenen Antworten! Ich bin gespannt, wie die neuen Förderbedingungen der Aktion Mensch bei den potenziellen Antragstellern ankommen werden. Wir sehen uns ja im September wieder persönlich, wenn Sie als Referentin in unserem berufsbegleitenden Lehrgang „Fördermittelmanager/-in für gemeinnützige Organisationen“ dabei sein werden.

Wollen Sie noch mehr über die Fördermöglichkeiten durch die Soziallotterien erfahren, dann lesen Sie gleich weiter:


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Torsten Schmotz

Über den Autor/die Autorin

Gründer und Geschäftsführer des Unternehmens Förderlotse Torsten Schmotz, Seniorberater, Hochschuldozent und Fachautor, seit 2006 ist das Fördermittel-Fundraising sein beruflicher Schwerpunkt.



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